
Erfindungen wie Videocalls sorgen dafür, dass dies keine echte Isolation wird
Wir brauchen Struktur, um uns in der ungewohnten Situation zurechtzufinden
Aber wir müssen Befindlichkeiten gut trennen von echten Depressionen
Von Teresa Enke
Am Freitag holte ich im Restaurant eines guten Freundes jede Menge Lebensmittel ab. Eier, Lachs, Gemüse. Er schloss das Restaurant auf unabsehbare Zeit gemäß den Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus. Ich wollte wenigstens die vielen übriggebliebenen Lebensmittel nicht verfallen lassen. Ich verteilte sie an Freunde. Aber ich sah die Freunde schon nicht mehr. Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, stellte ich ihnen die Ware nur vor die Tür. In dem Moment beschlich mich Melancholie. Ich fühlte mich zwanghaft getrennt von denen, die ich mag.
Wir werden dieses Gefühl in den nächsten Wochen verstärkt spüren, wenn die nötigen Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen das Virus greifen und wir die meiste Zeit in unseren eigenen vier Wänden bleiben. Bei den wenigsten von uns sind dabei psychische Erkrankungen zu befürchten, aber doch Befindlichkeitsstörungen. Deshalb tut es gut, sich auf die Situation mental einzustellen.
Struktur ist das wichtigste Werkzeug gegen Antriebslosigkeit
Das Wichtigste ist, den Tag zu strukturieren. Nicht ewig im Bett bleiben und dann im Schlafanzug herumlaufen, denn dann kehrt sich das anfängliche, falsche Feriengefühl schnell in Antriebslosigkeit und Verlorenheit um. Sich Dinge vornehmen, hilft, der neuen Situation Normalität zu geben. Sei es, dass man zu konkreten Stunden konsequent die Arbeit im Homeoffice verrichtet oder um eine bestimmte Uhrzeit das Mittagessen zubereitet. Ein Zeitungsjournalist, der jahrelang in der Redaktion arbeitete und dann plötzlich als Amerikakorrespondent alleine von zuhause aus schrieb, kleidete sich für die Arbeitsstunden im Homeoffice stets, als ginge er ins Büro. Solche kleinen Stützen helfen.
Der große Vorteil, den wir heute haben, ist, dass wir selbst dann nicht mehr wirklich isoliert sein müssen, wenn wir alleine zu Hause sind. Die Vielzahl der technischen Möglichkeiten, seien es Messenger, Telefonkonferenzen oder Videoanrufe, ermöglicht es, die uns Nahestehenden zu uns zu holen – und diese Optionen sollten wir unbedingt nutzen.
Klavierunterricht, Pilatestraining oder Sprachkurse – all das kann über Video weiterlaufen, und kann als Ausnahme durchaus witzig sein. Die Eltern, die – so so wie ich – oft stöhnen, ihre Kinder würden zu viel Zeit am Handy verbringen, haben nun eine sinnvolle Aufgabe für diese Kinder: Sie können den Großeltern erklären, wie facetime oder Skype funktionieren, und sie damit am virtuellen Zusammenleben teilhaben lassen.
Es dürfte keine Depressionswelle geben – ein höheres Risiko besteht aber schon
Wir Menschen haben von Natur aus große Reserven, um Krisen zu meistern. Deshalb werden die meisten von uns während dieses Ausnahmestandes vielleicht in einzelnen Momenten psychisch angespannt sein, aber wir müssen das gut trennen von wirklichen psychischen Krankheiten wie Depressionen. Depressionen sind etwas anderes, eine Stoffwechselkrankheit, bei der vorübergehend Gehirnfunktionen eingeschränkt sind.
Es ist keine Depressionswelle zu erwarten, aber selbstverständlich ist der derzeitige Sonderzustand für Menschen mit wiederkehrenden Depressionen ein zusätzliches Risiko. Deshalb ist es wichtig, dass die Therapie von Betroffenen auch in Zeiten von reduziertem menschlichem Kontakt fortgesetzt wird – wenn es nicht anders geht, eben über Telefon oder bei Spaziergängen mit Mindestabstand.
Dabei gilt für psychische Erkrankte genau wie für Gesunde in dieser Ausnahmesituation dasselbe: Man muss sich darauf vorbereiten. Dann findet man kreative Möglichkeiten, zufrieden weiterzuleben. Zum Beispiel kann man auch mit den Lebensmitteln, die ich den Freunden vor die Tür stellte, jetzt etwas Besonderes machen. Der italienische Starkoch Massimo Bottura lädt uns alle jeden Abend um 20 Uhr auf seinem Instagram-Kanal zum Kochkurs „Küchenquarantäne“ ein.
Liebe Therasa Enke,
Ich habe ja schon im März geschrieben, da sich vor drei Tagen allerdings der Todestag von Robert zu 11. mal jährte, wollte ich noch mal ein paar Zeilen dazu schreiben.
Ich war zum Zeitpunkt des Todes von Robert gerade in einer Umschulung. Ein Freund rief mich an, und erzählte mir vom Suizid Roberts. Zu erst habe ich gesagt, dass kann nicht sein. Ich habe ihn doch noch gegen den HSV spielen gesehen. Nach der ersten Schockwelle war mir aber eine sofort klar. An einer rätselhaften Viruserkrankung, war Robert nicht erkrankt. Da waren Depressionen im Spiel. Eigentlich lernt man, wenn man in Behandlung ist, wie man sich richtig verhält, damit der Selbstmordgedanke keine Macht über das eigene ich bekommt. Manchmal isr der Teufel aber ein ganz starker Verbündeter vom Suizidgedanken. Nicht selten gewonnen dann die beiden.
Liebe Theresa, es tut mir leid, dass du deinen Mann an die beiden verloren hast.
Ich hatte ja schon im März erwähnt, dass auch ich unter Depression leide. Ich weiß wie schwer es ist, gegen die beiden zu kämpfen. Vor ca. 4 Wochen erhielt ich eine weitere schlechte Nachricht. Ich bekam die Diagnose, an Leukämie erkrankt zu sein. Mein allererster Gedank war, mich Umzubringen. Dieser Gedanke ist auch jeden Tag da. Ich habe vom Onkologen eine Psychologin an meine Seite bekommen. Wir arbeiten fast täglich gegen diesen Gedanken. Robert hatte wohl keine Kräfte mehr. Das ist auch meine grösste Angst.
Liebe Theresa. Von ganzem Herzen wünsche ich dir alles alles gute.
Harald Reichl
Liebe Teresa,
vielen dank, für diesen Eintrag. Ich kann, und muss dir völlig recht geben, mit dem was du schreibst.
Ich bin zwar kein Sportler, leide seit vielen Jahren an Depressionen , und dennoch verfolge ich dieser App, seit sie leider , eingerichtet wurde. Auch als nicht Sportler, kann ich sehr viele Parallelen innerhalb der Erkrankung erkennen. Denn, es gibt eigentlich keine Unterschiede, ob man nun aktiver Sportler ist, oder nicht. Die Gründe sind natürlich sehr vielfältig, allerdings die Symptome sind fast 100% identisch.
Von daher, vielen Dank für eure Arbeit, sie ist gut, richtig, und kann bei einem akuten Anfall ein Anker sein. Macht weiter so. Solltet ihr noch Ehrenamtliche Mitarbeiter suchen, dann würde ich gerne meinen Beitrag, dazu leisten.
Viele Grüße aus Hannover.
Liebe Teresa vielen Dank für die schönen Worte , bleib wie du bist . Wir schaffen die Zeit auch wenn es nicht immer einfach ist . Lg aus Dudensen