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Die Depression ist die ganze Antwort nach dem Warum

Ein Gastbeitrag von Arnd Zeigler

Am 31. August 2009 habe ich Robert Enke zuletzt gesehen, als er in Köln den Preis von der Vereinigung deutscher Vertragsspieler (VDV) für den besten Torwart der vorangegangenen Saison 2008/2009 entgegennahm. Wir haben, ich habe ihm, und das macht mich bis heute fassungslos, nichts  von seiner Krankheit angemerkt – absolut nichts. Heute weiß ich, welch ungeheure Anstrengung dieser Abend für Robert bedeutete. In seinem Tagebuch schrieb er wenige Stunden nach unserer Veranstaltung: Lag den halben Tag im Bett, ehe mich Terri am Telefon dazu gebracht hat aufzustehen. Gib nicht auf!

Die Robert-Enke-Stiftung hat mich darum gebeten, einen (leicht ergänzten) Wortlaut aus meiner Sendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußball“, die am 15. November 2009 überhaupt nicht wunderbar sondern bis heute die Schwierigste war, für die Sensibilisierung von der Krankheit Depression niederzuschreiben. Auch wenn mittlerweile zehn Jahre seit Roberts Tod vergangen sind, können wir über das Thema mit den angerissenen Inhalten nicht häufig genug sprechen.

An dieser Stelle möchte ich mir zwei persönliche Anmerkungen erlauben, die mir nach der abgelaufenen Woche auf dem Herzen liegen: Es muss auch Kritik an der Berichterstattung erlaubt sein. Vieles hat mich, wie andere Leute vermutlich auch, ziemlich arg genervt. Zum Beispiel die Diskussionen, die allen Orts zu hören waren, ob der große Druck des kalten Bundesligageschäftes Robert Enke letztlich in den Tod getrieben hat. Er ist in fast 57 Jahren der erste aktive Spieler der ersten Liga, der einen Suizid begannen hat. Und unter schweren Depressionen leiden auch Bäckermeister, Lehrer, Bürohilfen oder Metzgergesellen. Jeder Krankheitsfall ist anders und jeder, der sich umbringt, ist in einer Zwangssituation, die kein rationales Urteil erlaubt. Nach wie vor stoße ich dabei auf viel zu viele Menschen, die Depressiven ihr Verhalten vorwerfen und Rationalität einfordern von Menschen, die für ihre Krankheit nichts können.

Deshalb bitte auch keine Diskussion darüber, ob es nicht egoistisch war, den Führer der Lok mit in die Tragödie zu reißen. Egoistisch wäre das unter normalen Umständen, aber Robert Enke befand sich nicht in einem Zustand, den wir mit unseren Maßstäben begreifen können. Und naiv in meinen Augen sind auch die wiederholenden Fragen danach, weshalb Robert Enke das getan hat. Wir können niemanden fragen, weshalb sein Herz plötzlich nicht mehr schlägt oder eine Darmkrebserkrankung ausbricht. Ebenso wenig können wir ergründen, warum Roberts Seele nicht mehr wollte. Seine Krankheit – die Depression – ist die ganze Antwort auf diese Frage nach dem Warum. Eine andere Antwort gibt es nicht, egal wie lange wir danach suchen.

Erinnern wir uns an einen tollen Menschen Robert Enke und denken wir an die vielen, vielen Menschen in Deutschland, die an einer Depression leiden. Und ermutigen wir jeden einzelnen von ihnen, sich professionelle Hilfe zu suchen. Heute wissen wir, dass es besser ist, sich zu öffnen und Betroffenen zu jeder Zeit das Gefühl zu geben, dass sie oder er nicht alleine sind. Roberts Vermächtnis wäre heute: Gebt nicht auf!

 Zum Beitrag in der Sendung vom 15. November 2009 und 10. November 2019:

https://www.youtube.com/watch?v=4OWzLLhtPBg

 Zur Person:

Arnd Zeigler wurde am 7. Juli 1965 in Bremen geboren und ist als Moderator, Journalist, Autor und Stadionsprecher beim SV Werder Bremen tätig. 2011 wurde Arnd Zeigler zum „Sportjournalisten des Jahres“ gewählt.

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